Freitag, 10. Juni 2022

Wann ist die beste Zeit zu praktizieren

 Wann ist die beste Zeit zu praktizieren

Das ist eine wichtige Frage, denn so viele Menschen behaupten, sie seien zu beschäftigt, um zu praktizieren. Sie erklären, dass der größte Teil ihres Tages darauf verwendet würde, zu arbeiten, Geld zu verdienen und sich um die Familie zu kümmern. Am Abend sei man einfach zu erschöpft und zu müde dafür. Deshalb liegt es mir am Herzen, hier einiges klarzustellen.

Wir können noch einmal das Medizin-Beispiel von vorhin anführen: Wann benötigen wir die Medizin? Wenn wir krank sind. Sind wir gesund, brauchen wir sie weder, noch nützt sie uns. Also sollten wir zunächst herausfinden, in welchen Lebenssituationen wir Schwierigkeiten haben und wo genau uns die buddhistischen Lehren weiterhelfen können. Wenn wir schlafen beispielsweise,  haben wir wenig probleme, doch wenn wir arbeiten und unseren Verpflichtungen nachgehen, sind wir oft schwierigen Situationen ausgesetzt, ud so begegnen uns hier die meisten Herausfoderungen. Wir durchlaufen die gesamte Bandbreite Leid verursachender Emotionen: Ärger, Neid, Geiz, Gier oder Arroganz. Deshalb sind diese Zeiten der beste Moment für unsere Praxis.

Viele Menschen denken, Dharma-Praxis sei gleichzusetzen mit stiller Meditation. Wäre dem so, wie könnten wir während der Arbeit jedes Mal meditieren, sobald ein Problem auftaucht? Der Chef würde uns wohl kündigen, wenn wir ständig minutenlang stillam Schreibtisch säßen. Diese Vorstellung beruht auf einen falschen Verständnis von Dharma als auch von Meditation. Denn Dharma bedeutet, unseren Geist in eine positive Richtung zu lenken, und zwar immer dann, wenn unser Geist in Negativität abgleitet. Dharma-Praxis soll also im Moment und unmittelbar dieser Negativität entgegenwirken. Meditation demgegenüber meint das Training hin zu einer positiven Veränderung des Geistes. Denken wir an Fußball: Erst müssen die Spieler gut trainieren, bevor siein einem richtigen Spiel eingesetzt werden können. Bei der Meditation verhält es sich ganz ähnlich. Zunächst beruhigen wir unseren geist, um ihn und seine Funktionsweise besser kennen- und verstehen zu leren. So können wir negative Emotionen leichter identifizieren. In einem nächsten Schritt befassen wir uns damit, wie wir diese Emotionen positiv verändern können, und üben uns darin ein. Dadurch eignen wir uns heilsame geistige Gewohnheiten an, derer wir uns schließlich im Alltag gezielt bedienen können. 

Nehmen wir die Praxis von Geduld. Auch sie besteht aus verschieden Abschnitten. Am Anfang müssen wir uns mit ihr vertraut machen: Was genau ist Geduld? Wie kann sie uns helfen, und welche Vorteile bringt sie uns? Dieser erste Abschnitt ist Teil von Meditation und Kontemplation. Sind wir zu der Einsicht gelangt, dass Geduld hilfreich ist, um vor allem unserer Wut und unserem Ärger entgegenzuwirken, und uns generell im Leben nützt, könen wir anschlieend mithilfe der buddhistischenLehren Strategien entwickeln, Geduld unter verschiedensten Bedingungen anzuwenden. Gereten wir dann in Situationen, in denen wir ärgerlich werden, wissen wir genau, was zu tun ist, weil wir darin geübt sind. Das Gleiche gilt fpr die Praxis von Mitfreude als Gegenmittel zu Eifersucht und Neid und so fort. Auf diese Weise können wir Buddhismus praktizieren. Ziel unserer Praxis sollte sein, die entsprechendden Lehren immer dann benutzen zu können, sobald negative Emotionen sntstehen. Meditation ist dabei lediglich ein Mittel zum Zweck, nicht aber das eigentliche Ziel.

Ein Beispiel: Spricht uns jemand wirsch an, und wir spüren, wie Wut in uas aufsteigt, haben wir folgende Möglichkeit: Statt der Wut freien Lauf zu lassen und Streit anzufangen, können wir uns überlegen, dass es gar nichts bringt, ebenfalls ärgerlich zu werden und auf die gleiche Art zu reagieren. Wir können weder das gesagte ungeschehen machen noch die Person durch unseren eigenen Ärger beruhigen, im Gegenteil wir würden vermutlich deren Ungehaltenheit noch verstärken. Also sagen wir uns, dass Ärger nur uns selber und unserem inneren Frieden schadet, den Blutdruck hochtreibt und uns vielleicht Dinge sagen lässt, die wir später bereuen. Zudem können wir nicht sicher wissen, weshalb sich der andere so verhält. Womöglich gilt dies in seiner Kultur als höflich? Oder er hat schlechte Laune, weil ihm zuvor etwas Unangenehmes widerfuhr, vielleicht meint er es gar nicht böse. Versuchen wir, all dies zu berücksichtigen, wird es uns leichter fallen, Geduld aufzubringen und abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt, ohne sie weiter anzuheizen und Streit zu entfachen, der später schwer zu schlichten ist.

Keine Kommentare: